Schulsplitter
Wir können die Kinder nach
unserem Sinne nicht formen.
So wie man sie uns gab,
so muss man sie haben und lieben,
sie erziehen aufs Beste
und jegliches gewähren lassen,
denn der eine hat die,
der andere andere Gaben.

Jeder braucht sie und jeder
ist doch nur auf eigene Weise
gut glücklich.

(J.W. von Goethe)




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Natasha Nordstrom:
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Natasha Eichmann:
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gegrüßt:

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Antje
So schön begann das Wochenende: Ich las meinen Kolleginnen "die anderen" vor und wir lachten Tränen.
13.2.2010-20:12
Antje
So schön begann das Wochenende: Ich las meinen Kolleginnen "die anderen" vor und wir lachten Tränen.
13.2.2010-18:08
Antje
So schön begann das Wochenende: Ich las meinen Kolleginnen "die anderen" vor und wir lachten Tränen.
13.2.2010-17:30
Christine
Einfach nur gut - wunderbar diese Realsatiren. Freu mich schon auf mehr...
LG, Christine
22.6.2007-17:03
Cornelia
Prima!
28.1.2007-19:43
Gabriela
Koestlich! Selten solch Erinnerungsgrinsen gehabt :-)
Ich freu mich auf weitere Stossseufzer ;-)
LG Gabriela
27.1.2007-22:15
Hötti
Wunderbar, Susanne! Wie alles von dir... und wie im echten Leben!
LG
Hötti
27.1.2007-14:54
Sabine
Hallo und herzlich willkommen in der Bloggerwelt. Liest sich ja flott hier. Schön, werde wiederkommen !!!
LG Sabine
26.1.2007-14:45
BLW
Viel Spass mit all den neuen Features der aktuellen Version

Die BLW´s
23.1.2007-20:15
gezählt:
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Online seit dem: 25.01.2007
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VERAlberung

Die Herde, die ich in jenem Jahr zu betreuen hatte, war mannigfaltig und sehr groß.
Ich war stolz auf den Biber, dessen Zähne schärfer waren, als je bei einem anderen Biber zuvor.




Und der Frosch beispielsweise hatte so lange trainiert, dass er wirklich jede Fliege mit seiner blitzschnellen Zunge zu fassen bekam. Der weltbeste Fährtenschnüffler gehörte ebenso zu unserem Team, wie das schnellste Pferd.




Jeder konnte etwas besonders gut und so machten wir uns auch keine sonderlich großen Sorgen, als es hieß, sämtliche Herden müssten sich einer Überprüfung unterziehen.

Zu einem bestimmten Zeitpunkt, so hieß es, sollten alle Herden gleichzeitig derselben Prüfung unterzogen werden.
Vage wurde mir mitgeteilt, dass es sich um den Bereich „Außentraining“ handeln würde, was uns natürlich sehr entgegen kam.

Ich war stolz darauf, dass sich die Herde verstand, dass es keine Kleinkriege mehr zwischen den unterschiedlichen Mitgliedern unseres Teams gab und wir zu einer richtig guten Gemeinschaft, in der jeder dem anderen half, zusammengewachsen waren.

Der Tag der Prüfung nahte.
In einer zuvor festgelegten Zeit sollten alle dieselbe Aufgabe erledigen, denn, so hieß es, nur so sei es gerecht und vor allem vergleichbar.
Gespannt blickten mich alle an, als ich den versiegelten Umschlag öffnete, um die zuvor geheime Aufgabe zu entnehmen.

Es war ein simpler Text, eine, wie man meinen sollte, leichte Aufgabe:

„Klettere auf den höchsten Baum!“





„Das kann ich!“, jubelte der Affe und mirnichtsdirnichts saß er in den oberen Ästen.
Auch das Eichhörnchen war schneller oben, als ich schauen konnte.
Unsere geflügelten Teammitglieder flogen gar bis in die obersten Baumspitzen, aber leider, leider durfte das nicht gewertet werden, denn die Aufgabe lautete ja: „Klettere!“ und nicht „Fliege!“.

Die kleine Raupe machte sich sogleich auf den Weg, leider war die Zeit um, ehe sie den ersten Ast erreicht hatte.
Auch die Schnecke bemühte sich sehr!
Niemals hatte sie je so rasch einen Baum bezwungen, doch leider reichte auch dieses Tempo nicht.

Natürlich gab es auch Verweigerer. Der Löwe zum Beispiel hörte die Aufgabe, erklärte, das könne er nicht und dazu habe er auch keine Lust und legte sich lieber im Schatten des Baumes auf den Boden zur Ruhe.
Jedes gute Zureden und Überreden, Ermahnen und Betteln blieb erfolglos.
Der Hund saß irritiert vor dem Baum und versuchte noch, die Aufgabe zu begreifen und zu verstehen, als die Zeit längst abgelaufen war.
Dem Frosch war eher nach Fliegenfangen zumute und so hüpfte er von hier nach dort und brachte das ganze Team durcheinander.

Das Nashorn hatte der Ehrgeiz gepackt. Mit aller Macht versuchte es, die Aufgabe zu bewältigen.
Es näherte sich dem Baum von jeder Seite.
Es nahm Anlauf, es machte Entspannungsübungen, um die innere Unruhe zu bekämpfen und ließ sich schlussendlich gar vom Hasen helfen.
Leider scheiterte es trotz all dieser Bemühungen kläglich.

Am Ende des Tages hatten genau zwei Herdenmitglieder die Aufgabe voll und ganz erfüllt: Das Eichhörnchen und der Affe.

Traurigkeit breitete sich unter den anderen Tieren aus.
„Aber wir haben doch das Ziel erreicht!“, mokierten sich die Vögel und ich musste ihnen erklären, dass das Fliegen aber doch arg geschummelt wäre.

„Aber ich war so schnell wie nie zuvor!“, weinte die Schnecke und ich musste ihr erklären, dass sie leider noch nicht schnell genug gewesen sei.

„Aber“, so tröstete ich meine Herde „nach einem Tag Ruhepause, den ihr euch alle verdient habt, gibt es ja noch eine Aufgabe und die wird euch allen sicher gut gelingen!“

Ein bisschen mulmig war mir schon, als ich das aussprach, da ich ja selber noch nicht wusste, was genau am übernächsten Tag die Aufgabe sein würde. Aber man hatte mir gesagt, es würden extra zwei wichtige Bereiche überprüft werden und meine Aufgabe sei ja gewesen, die Herde darauf vorzubereiten.

Am nächsten Tag benötigte ich viel Zeit und Geduld und Fürsprache, um meine Herde wieder zu motivieren und aufzubauen. Mit Spannung, einige auch ein wenig ängstlich, sahen wir dem zweiten Teil der Überprüfung entgegen.





Wieder war die Aufgabenstellung sehr einfach:

„Tauche zum Grund und hole den Ring herauf!“

Während die Schildkröte und die Robbe den Ring schon längst hatten, musste ich der Ziege gut zureden, ehe sie überhaupt einen Huf ins Wasser setzte.
Der Elefant schied leider aus, da sein Rüssel so lang war, dass er den Ring mit seiner Hilfe hervorholen konnte, ohne richtig getaucht zu sein.
Das entsprach nicht der Aufgabenstellung und konnte somit leider nicht gewertet werden.

Auch der Hase musste leider ausscheiden, weil er ein unerlaubtes Hilfsmittel, nämlich Schnorchel und Taucherbrille angelegt hatte.

Die Fische erreichten den Ring mühelos, taten sich mit dem Heraufholen und Herausbringen jedoch recht schwer, so dass die Aufgabe nur als teilweise erfüllt gelten konnte.
Leider hatten wir noch einige Nichtschwimmer in der Herde, die erst gar nicht ins Wasser gingen, da Hilfsmittel wie Schwimmflügel eher hinderlich gewesen wären beim Tauchvorgang und ja sowieso in die Liste unerlaubter Möglichkeiten fielen.

Wieder hatten am Ende des Tages nur zwei Tiere das Ziel komplett erreicht: Die Robbe und die Schildkröte.

Allen übrigen musste ich nun wieder erklären, warum sie leider die Aufgabe nicht oder nur teilweise geschafft hatten.

Missmut machte sich in meiner Herde breit und die ersten Tiere begannen einen Sprechchor zu intonieren: „VER – AL – BE – RUNG!“ riefen sie und waren zornig.

„Du bist ein schlechter Herdenführer!“, rief der Hase „Du hast mir gar nicht beigebracht zu tauchen!“
„Wie soll ich einen Ring an Land bringen, wenn ich außerhalb des Wassers gar nicht leben kann?“ wollte der Fisch wissen.

„Aber ihr wart doch alle toll!“ ließ ich meine Herde wissen
„Jeder, naja fast jeder“, schränkte ich ein „hat sein Bestes gegeben!“

„Ja genau“, sprach die Schnecke „aber mein Bestes war ja nicht gut genug!“

Nun fühlten sich die Tiere meiner Herde schlecht, weil sie nicht gut genug gewesen waren und ich fühlte mich schlecht, weil es mir nicht gelungen war, alle Tiere gleichzeitig in derselben Zeit ans Ziel zu führen.
Was nutzten dem Biber die scharfen Zähne, dem Frosch die blitzschnelle Zunge und dem Hund seine geniale Nase?
Genau dies versuchte ich zu erklären, als die Ergebnisse veröffentlicht wurden.
Da gab es Herden, die hauptsächlich aus Affen, Eichhörnchen und Katzen bestanden, die bei der ersten Aufgabe wunderbar abgeschnitten hatten.
Und erst die Herden voller Robben, Schildkröten, Enten, Krokodile…….

„Beim nächsten Mal sollten Ihre Ergebnisse aber wesentlich besser ausfallen!“, gab man mir mit auf den Weg und ich beschloss trotz allem, stolz auf meine Herde zu sein.
Auf ihre Vielfältigkeit und ihren Zusammenhalt und darauf, dass sie nach der Überprüfung trotz aller Demotivierung weiterlernte, weiterarbeitete und jeder auch weiterhin sein Bestes gab!

Text als pdf

Illustrationen: Christine Wulf und Hans-Jürgen Krahl

18.10.2010, 08.47| (6/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Schule

Bei DIE anderen ist alles besser

Ich habe DIE anderen schon sehr früh in meinem Lehrerleben kennengelernt, auch wenn es mir bis heute nicht gelungen ist, DIE anderen persönlich kennenzulernen.

 

Das Schuljahr war gerade zehn Tage jung, ich frisch gewordene Lehrerin,  als mich eine Mutter eines Erstkläßlers zum ersten Mal auf DIE anderen hinwies:

 

DIE anderen“, so sprach sie, „haben schon fünf Buchstaben, wir nur drei, Sie müssen etwas tun!“

 

DIE anderen, so stellte sich schnell heraus, waren Kinder, Eltern oder gar ganze Schulen in weit entfernten anonymen Städten, von denen man über dreißig bis vierzig Personen gehört hatte – „der Cousin meiner Tante und dessen Neffe und davon der Freund seine Mutter“ – dass sie schneller, weiter und natürlich viel besser in allem und jedem seien als die eigene Klasse, das eigene Kind, die eigene Schule.

 
In diesem Falle stellte sich heraus, handelte es sich um die Schule eines anderen Bundeslandes. Eines Bundeslandes, dessen Sommerferien zwei Wochen vor den unserigen geendet waren.

Der dezente Hinweis meinerseits – auf das andere Bundesland – brachte nicht die erhoffte Wirkung sondern rief noch andere auf den Plan, DIE praktisch in der Nachbarschule waren – sagen wir geschätzte 100 Kilometer entfernt, Name der Schule unbekannt – DIE aber auch schon viel weiter waren, besser unterrichtet wurden und wo DIE Kinder auf jeden Fall mehr lernten.

 

DIE anderen“, so erfuhr ich dann im zweiten Schuljahr, „hatten schon in der ersten Woche des zweiten Schuljahres das komplette Einmaleins gelernt!“

Bei unseren Defiziten diesbezüglich“, so waren sich die Eltern einig, „würden wir DIE anderen nie einholen können und somit seien die Kinder unserer Klasse aufs äußerste diskriminiert und es stünde nun schon fest, dass eine gymnasiale Karriere ausgeschlossen sei.“

 

Nachdem wir dies also als festen Tatbestand festhalten konnten, irritierte nur die Feststellung eines anderen Elternteils: „DIE anderen in Bonnbrautbreitbach lernen erst gar kein Einmaleins mehr!“

Dies wiederum war eine unumstößliche Tatsache, die Tante Helga mit ihren geschätzten 89 Jahren von Tante Irmgard gehört hatte. Und Tante Irmgard wiederum hatte einen Cousin sechzehnten Grades, dessen Großnichte einen Freund hatte, dessen Freund jemanden kannte, der dies aus ganz sicher Quelle wusste.

 

Die Empörung schlug hitzige Wellen und das Ausmaß der Diskriminierung der Kinder der Klasse wuchs potenziell.

 

Im dritten Schuljahr erfuhr ich, dass bei DEN anderen die Benotung viel besser sei, da weniger streng. Zudem schrieben DIE anderen viel mehr Diktate, mehr Mathearbeiten und überhaupt, DIE anderen hatten es wie immer weitaus besser und waren auch wie immer weitaus schneller.

So gab es zum Beispiel ganz andere, die ließen einfach den Stoff des 3. Schuljahres aus und gingen nahtlos über zum Stoff des vierten Schuljahres, nur um im vierten Schuljahr dann den Stoff des fünften Schuljahres quasi vorzulernen.

Nicht zu vergessen auch DIE anderen, deren Lehrerin täglich für die Kinder Brötchen schmierte, so dass die Eltern sich erst gar nicht mehr mühevoll um das Pausenbrot kümmern musste.

 

Auch immer wieder gern erwähnt, DIE anderen, die tatsächlich im Mathebuch schon auf Seite 72 waren, während wir uns noch mit Seite 52 herumplagten, wenn überhaupt.

 

Dass es sich um unterschiedliche Lehrwerke handelt spielte hierbei keine Rolle, denn: Weiter ist weiter und weiter ist besser!

 

Das vierte Schuljahr brachte die Einsicht: „DIE anderen sind einfach fitter für den Übergang!“

 

Selbstverständlich mussten sie dies sein, denn sie hatten ja, wie bereits im dritten Schuljahr festgestellt, das vierte Schuljahr in Klasse 3 vorgezogen, zudem schmierte die Lehrerin ja gesunde Brötchen und kopiert wurde bei DEN anderen wahlweise weniger oder viel mehr, je nachdem, wie man als Elternteil gerade argumentieren wollte.

 

DIE anderen machten auch wahnsinnig tolle Abschlussfahrten, mindestens ins europäische Ausland und natürlich nur „für’n Appel und Ei“.

Weshalb sollte man also selber für eine popelige Jugendherberge im 60 km entfernten Städtchen mehr zahlen, als DIE anderen für einen Auslandstrip?

 

DIE anderen, so gipfelte es denn, DIE anderen hatten auch wesentlich mehr oder gar keine Hausaufgaben auf.

Die Elternschaft war sich diesbezüglich uneinig, was für unsere Klasse denn nun die bessere Alternative wäre und geriet ein wenig in Streit.

 

Ich selber mag DIE anderen sehr!

Es umgibt sie der Schleier des Mystischen und auch wenn ich mich niemals werde mit ihnen messen können sind sie mir sympathisch.

Denn eines ist sicher:

In Bonnbrautbreitbach sitzt die Cousine des bestens Freundes meines Exschwagers und diese Cousine hat eine Freundin, deren Nichte einen Freund hat der einen Vater hat der auch irgendwen kennt – ich komme nur gerade nicht darauf wen – aber dieser Mensch dort irgendwo verkündet zu meinen Gunsten, dass die Kinder meiner Klasse, also DIE anderen, viel weiter, viel schneller und sowieso viel besser sind!

 

Und das stimmt natürlich!

Damals, heute und in Zukunft!

 

 

 

 

 

 

16.02.2008, 10.58| (7/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Schule

Autofahrende Eltern


 

04.12.2007, 14.12| (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Schule

Wohlstandstherapie


Viele Menschen leisten sich heute ja gerne und publikumswirksam die ein oder andere Therapie.
Ich habe Glück.
Statt mir einen Wohlstandstherapeuten suchen und bezahlen zu müssen, gönne ich mir mehrmals im Jahr Elternsprechtage.

Elternsprechtage offenbaren mir weitaus schonungsloser und realitätsnäher als das je einer dieser Wohlstandstherapeuten könnte meine gespaltene und multiple Persönlichkeit und – ein nicht zu verachtendes Kriterium – ich erhalte kostenlos vielfältige Ratschläge in Bezug auf meine Persönlichkeit.
Und das nicht etwa nur sporadisch, nein, sehr regelmäßig in Form einer Langzeittherapie mit wechselnden Therapeuten, was den Vorteil der Sichtweisenveränderung hat.


Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen persönlichen Therapiebeginn im Jahre 1996.
Gänzlich unbedarft startete ich in meinen ersten eigenen Elternsprechtag, viele leere Blätter vor mir, um mir eifrigst Notizen machen zu können.

„Sie sind viel zu nett und ruhig!“ eröffnete mir mein erster Gesprächspartner und ich Anfängerin suhlte mich geradezu in diesen Worten, naiv annehmend, dies sei ein Kompliment.

„Müssen Sie immer so streng sein?“ wurde ich bereits beim zweiten Gespräch rüde gefragt und schon da fiel es mir ein ganz klein wenig schwer, den Bogen von meiner ruhigen, netten Persönlichkeit zu jenem viel zu strengen Wesen zu schlagen.
Aber so ein Tag hat viele Facetten und ist ja nach zwei Gesprächen lang noch nicht zu Ende.

„Lassen Sie uns über lehrergerechte Kleidung sprechen!“ forderte mich im Laufe des Tages ein Vater auf und schaute missbilligend auf meine Standardjeans und das unifarbene T-Shirt.
Es gelang mir ein uneleganter Übergang zur Leistung seines Kindes, aber die Tür in meine Lehrerseele hatte sich soeben ein klitzekleines Stück geöffnet.

Nach 28 Gesprächen hatte ich abends eine Menge Notizen zu sichten und sah mich in einem völlig anderen und neuen Licht.
War ich mir am Morgen noch darüber im Klaren gewesen, dass ich eine selbstbewusste gestandene Frau war, so hatte mir der Tag erste Einblicke in meine multiple Persönlichkeit gegeben.

Neben dem ruhigen und ausgeglichenen Wesen, wohnten noch die Jungenhasserin, die Mädchenhasserin, die Jungenbevorzugerin, die Mädchenbevorzugerin, die Zuvielhausaufgabenaufgebende, die Zuwenighausaufgabenaufgebende, die Zulockerseiende, die Nichtlockergenugseiende, die Zunwenigsingende, die Zuvielkunstmachende, die Schlechtmatherklärende, die Zulangsammatheerklärende, die Zuschnellmatheerklärende, die Garnichtmatheerklärende und gar die Mathegarnichtkönnende in mir.

Es dauerte einige Jahre, bis wir uns alle miteinander bekannt gemacht hatten, aber mittlerweile, so nach 13 erfüllten Lehrerdaseinsjahren, muss ich doch sagen, kommen wir bestens miteinander aus.
Ich freue mich immer auf die Elternsprechtage.
Unsere Runde – ich meine jetzt meine höchst persönliche multiple Runde – wird immer wieder gerne aufs Neue bereichert und wir sind da – eine unserer wenigen Gemeinsamkeiten – durchaus gastfreundlich und nehmen jede neue Persönlichkeit herzlich gerne in unserer Mitte auf.

Und wie schön ist es, einem Mitmenschen, der einen gerade im Galopp mitnimmt durch seine hundertzwölf Alltagstherapien erleichternd aufseufzend mitteilen zu können:
„Ach, ich brauche keine Therapie. Ich bin Lehrerin!“

Denn Eines ist ganz gewiss: Der nächste Elternsprechtag kommt bestimmt!

22.06.2007, 15.30| (5/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Lehrer

Das Missverständnis

"Was haben Sie sich dabei gedacht?" fragt mich die aufgebrachte Mutter, die ich nie zuvor gesehen habe und die wutentbrannt in meine Sprechstunde stürmt.


Ich möchte gerade mit einem zaghaften "Ihnen auch einen wunderschönen Guten Morgen!" antworten, als eine Menge loser, eindeutig zerrissener Heftseiten vor mir auf dem Tisch landen.


"Warum zerreißen Sie das Heft meines Sohnes?" werde ich zornglühend gefragt.


"Ich zerreiße grundsätzlich keine Hefte!" wende ich ein und frage nach: "Wer ist denn bitte Ihr Sohn?"


"Jan-Pascal natürlich!" werde ich informiert und ich forsche in meinem Gedächtnis, ehe ich zu dem Schluss komme, noch nie ein Kind diesen Namens unterrichtet zu haben.


"Ich unterrichte Ihren Sohn nicht!" teile ich der nach wie vor wütenden Mutter mit, doch diese weiß es besser und erwidert:


"Sie sind doch die Dicke mit den roten Haaren, Frau Schäfer, oder?" Nun könnte man das sicher charmanter ausdrücken, aber ich kann die beiden Kennzeichen auch nicht unbedingt leugnen.


"Ich bin Frau Schäfer, ja!" bestätige ich zumindest einmal meinen Namen.


"Dann sind Sie doch die Religionslehrerin meines Sohnes. Wieso kennen Sie ihn dann nicht?"


"Nun, das wird daran liegen, dass ich nicht die Religionslehrerin Ihres Sohnes bin, ich erteile schon seit mehreren Jahren keinen Religionsunterricht mehr!"


Die Mutter jedoch ist sich sicher: "Mein Sohn wird doch wissen, wer ihn unterrichtet!"


Ich bemühe mich eine gelassene Freundlichkeit auszustrahlen und weise darauf hin, dass ich durchaus auch sehr genau weiß, wen und was ich unterrichte. Mein Einwurf wird mit Ignoranz gestraft und ich werde noch einmal nachdrücklich auf das zerrissene Heft hingewiesen, dass ich ebenso wie Mutter und Sohn nie zuvor gesehen habe.


"Ich bin mit diesem Vorgehen nicht einverstanden!" wird mir mitgeteilt und ich kann das durchaus nachvollziehen. Allerdings wende ich ein, dass es sinnvoll wäre mit jener Lehrkraft zu sprechen, die den Religionsunterricht erteilt worauf mir empört geantwortet wird:


"Deshalb sitz ich doch bei Ihnen!"


Ich beginne langsam daran zu zweifeln, ob ich nicht vielleicht in einem Paralleluniversum als Relilehrerin in Erscheinung trete, aber dann erscheint mir der Gedanke doch zu absurd und ich versuche das Gespräch freundlich, aber bestimmt zu beenden.


"Ich bin noch lange nicht fertig!" äußert die Mutter. Ich schon, aber es erscheint mir nutzlos, dies an dieser Stelle zu erwähnen.


Also nenne ich die Namen jener Kolleginnen und Kollegen, die bei uns für den Religionsunterricht zuständig sind, aber die Namen prallen bedeutungslos an meinem Gegenüber ab.


"Was ist das hier für ein Verein?" werde ich mehr oder weniger rhetorisch gefragt "Wissen Sie nichtmal was und wen Sie unterrichten?"


Nun, ich hielt mich bislang in der Tat in der Lage, dies zu wissen und zu unterscheiden, aber erste zaghafte Zweifel ziehen in mein Gemüt.


"Ich werde mich auf jeden Fall beim Schulamt über Sie und Ihren Religionsunterricht beschweren!" kündigt die Mutter an, während ich vorschlage, das Gespräch im Rektorat weiterzuführen.


Just in diesem Moment steckt ein mir bis dato unbekannter Junge den Kopf durch die Tür und ruft ungehemmt: "Ach hier bist du Mama! Warum bist du denn hier?"


"Warum wohl?"
fragt die Mutter zurück und deutet vielsagend auf die Fetzen des ehemaligen Heftes.


"Aber das war doch Frau Meier!" erklärt der Junge und ich lehne mich frohgemut zurück, glücklich darüber, das Missverständnis geklärt zu wissen.



"Schäfer, Meier, Müller!" giftet da die Dame vor mir "Nicht mal originelle Namen können Sie sich hier leisten!"


Ich werde in Erwägung ziehen meinen Namen in Schmudanzckig oder ähnlich zu verändern.
Alles eine Kostenfrage.



22.03.2007, 17.17| (5/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Eltern

Konzeptlose Steuergruppentransparenz

Im Zeitalter der Konzepte erarbeitet ja nun jedes Kollegium eifrig zahlreiche Konzepte - die es selbstverständlich nicht erproben kann, da die Erarbeitung neuer Konzepte keine Zeit zur Erprobung bereits ausgearbeiteter Konzepte lässt - die es aber sicher in irgendwelchen Ablagen und Schubladen, eventuell auch Aktenordnern lagert, um sie spätestens nach einem Jahr zu Evaluationszwecken wieder herauszuwühlen.

Irgendwann nun traf es - mal wieder - mich und man überreichte mir einen Stapel Papiere mit den Worten:
"Die Stadt hätte gerne ein Frauenförderungskonzept. Abgabetermin war wohl vorgestern, aber zwei, drei Tage zu spät macht auch nichts!"

Meine schnellen Berechnungen ergaben, dass ich also bis zum nächsten Tag Zeit hatte, das Konzept aus dem Boden zu stampfen.

Nun stellte sich mir vorrangig die Frage, was in einem Kollegium, das aus zehn Frauen und einem Mann besteht, wohl frauensförderungswürdig sei.
Selbst der sonst allerort übliche Hausmeister war bei uns weiblicher Natur und mir fiel partout nichts ein, was allein aufgrund des weiblichen Geschlechts förderungswürdig sein könnte.....

Selbstverständlich darf man in einem derartigen Konzept erstens niemals zugeben, dass einem nichts einfällt und zweitens niemals schreiben, dass es nichts zu fördern gäbe.
Man stelle sich vor, die Stadt hätte mit einem Male unverhoffte Fördergelder für Frauenförderprojekte an Schulen und wir hätten ein Nichtbedarfskonzept eingereicht.

Kaum auszudenken, wenn die 3,50 Euro an unsere Schule vorüber gingen.

Fortan grübelte ich also.
Alles, was mir einfiel war, dass der einzige Mann unserer Schule eine ganze Toilette für sich beanspruchen durfte, wir Frauen allesamt aber ebenfalls nur eine Toilette "hatten".
Diese grandiose Ungerechtigkeit sprang doch jedem sofort ins Auge.
Dazu noch die unbewiesene Tatsache, dass Frauen immer häufiger zur Toilette müssen als Männer.

Ich könnte unerwähnt lassen, dass jede von uns auch die Herrentoilette benutzt - in Notfällen versteht sich.

Andererseits, wie sieht das aus, wenn das einzig frauenförderungswürdige die Klos wären?

Google half mir auch nicht viel, ein Plädoyer für Stillräume zu schreiben - mit einem Kollegium dessen Durchschnittsalter bei 56 liegt - käme mir auch ein klein wenig sonderbar vor.

Also gestand ich auf der nächsten Konferenz schmachvoll ein, dass ich an diesem Konzept gescheitert sei.

"Kein Problem!" erklärte man verständnisvoll "Wir richten eine Steuergruppe ein!"

Kollektives Aufstöhnen folgte dieser Ankündigung.
Nun muss man erklärenderweise dazu schreiben, dass unsere Konferenzen gerne damit beginnen, zu klären, welche Steuergruppe heute etwas vorträgt, um daraufhin festzustellen, dass niemand sich dieser Steuergruppe angehörig fühlt, um daraufhin alte Protokolle zu suchen, die belegen, wer wann in welche Steuergruppe - nun ja - "eingetreten ist", um sich dann anzuhören, dass diese Protokolle gar nicht stimmen können und niemand überhaupt von irgendetwas gewusst hat.

Die neue Steuergruppe Frauenförderung wurde schnell gegründet, mit dem Ergebnis, dass ich alleiniges Mitglied der Steuergruppe war, was selbstverständlich für mich und das Fortkommen des Konzeptes von großer Hilfe war.

Andererseits musste ich keine terminlichen Absprachen treffen. Auch dies gestaltete sich mitunter nämlich äußerst schwierig:

"Sollen wir uns morgen mit der Steuergruppe Schuleingangsphase treffen?" frage ich die Mitglieder der Steuergruppe worauf Kollegin A bemerkt:

"Nein, morgen ist schon Steuergruppe Englisch dran!"

Kollegin B ruft nun irritiert: "Nein, das kann nicht sein, ich kann morgen nicht, morgen ist Treffen der Steuergruppe Schulprogramm!"

"Schulprogramm?" grübelt nun Kollege Y "Gehör ich da nicht auch zu?"

"Morgen schreibt die Steuergruppe Projektwoche ihr Konzept!" wirft Kollegin C ein.

"Moment mal!" unterbricht Kollegin D "Morgen, das weiß ich ganz genau, morgen ist Fortbildung für Delfin und da sind wir Sprachstandskolleginnen weg!"

"Wir haben noch gar keinen Termin für die Steuergruppe Schulfest!"
nölt Kollegin E, wird aber sofort giftig von allen Seiten angeschaut.

"Ach, ich weiß gar nicht mehr, ob ich in dieser Steuergruppe auch war?" fragt sich Kollegin A und wir können ihr nicht helfen.

"Jemand müsste mal die Termine koordinieren!" schlägt Kollegin F vor.

"Gute Idee!" werfe ich ein "Wir könnten ja eine Steuergruppe zur Steuergruppentransparenz gründen! Die müsste nur relativ schnell aktiv werden und ein einsichtiges Konzept schreiben!"

"Dann mach du das doch!"
nimmt Kollegin H meine Ironie ernst.

Ebenso ernsthaft schüttle ich den Kopf:
"Ich würde ja wirklich gerne, aber in den nächsten drei Tagen treffe ich mich schon mit der Steuergruppe Frauenförderung!"









18.03.2007, 10.32| (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Schule

Energiesparschule

"Sehen Sie", erkläre ich den Eltern am Klassenpflegschaftsabend wie mir aufgetragen worden war "diese hochsensiblen Lichtsensoren reagieren auf Bewegung und so sparen die Schulen unserer Stadt ab sofort eine Menge Strom!"

Ich kann die Reaktionen der Eltern im stockdunklen Klassenraum nur erahnen und schreite während meiner Ausführungen bemüht eifrig auf und ab, um die eben gepriesenen Lichtsensoren zum Erleuchten zu bringen.

"Könnten Sie eventuell einmal kollektiv aufstehen?" frage ich peinlich berührt und ernte ein paar ungläubige Lacher.

Da einige Eltern meiner Bitte entsprechend aufspringen, erstrahlt der Klassenraum in heller Lichtigkeit und ich verschaffe mir schnell einen ungefähren Überblick über die Anwesenden, ehe das Licht wieder erlischt.

Zwar zapple ich nun wüst mit Händen, Armen und Beinen - in der vagen Hoffnung, die sensiblen Sensoren zur Helligkeit zu motivieren - scheitere aber kläglich und lausche irritiert dem pubertären Gekichere der Eltern.

"Wenn Sie eventuell noch einmal....." wage ich zu bitten und tatsächlich hüpfen einige des Dunklen Überdrüssige schnell auf, um uns minutenlange Leuchtkraft zu bescheren.

Die erleuchtete Zeit reicht gerade eben, um das neue Energiesparkonzept der Stadt zu erläutern, in der ich zum damaligen Zeitpunkt arbeitete.
Kluge Köpfe hatten sich überlegt, sämtliche Schulen statt mit dringend benötigten Materialien, Büchern oder Möbeln, lieber mit eben jenen hochsensiblen Lichtsensoren auszustatten, die erstens nicht nur immens viel Energie sparen würden, nein, zweitens gar jede Schule zur bewegten Schule machen würden. Sozusagen in einer Art Automatisierungsprozess.

Das Zweitens war zwar eine eher überraschend auftretende Nebenreaktion, aber auch als solche nicht zu unterschätzen.

So ein Pflegschaftsabend mit fortlaufender Laolawellenbewegung bringt doch ein wenig Schwung in den ansonsten vielleicht eher drögen und tristen Ablauf und Bewegung - das wissen wir alle - schadet auch uns Erwachsenen nicht.

Dass jene Sensoren nur bedingt reagieren bemerkte ich in der Tat jeden Morgen, wenn ich mit meinen Taschen und Tüten beladen gegen die erste Glastür knallte, so kurzzeitig das Licht erflammen ließ, dieses sich aber sofort wieder in die Dunkelheit zurückzog, wenn ich zaghaft meine diversen Körperteile nach Beulen abtastete.
Damals kamen diese grandiosen Kopfleuchten in Mode, die heutzutage jeder Jogger in der Dunkelheit um die Stirn geschnallt trägt.

Ursprünglich, da bin ich mir sicher, erfand die ein mitleidender Kollegen als Lehrerequipment.
Es war zumindest die einzige Möglichkeit einigermaßen unbeschadet das Lehrerzimmer zu erreichen.

In selbigen spielten sich seit der hochsensiblen Lichtsensoren nahezu realsatirische Dramen ab.
Zumindest in den frühmorgendlich dunklen Wintermonaten.

Um im Lichtschein kopieren zu können bedurfte es mindestens drei freundlicher Kollegen und Kolleginnen, die sich bereit erklärten während des Kopiergangs unaufhörlich zu hüpfen, zu rennen oder wahlweise über die Tische zu klettern.

In einem Kollegium voller Morgenmuffel war man geradezu aufgeschmissen und ohne Bestechung ging hin und wieder gar nichts:

"Och bitte hüpf doch mal eben drei Minuten, ich kopier dann auch für dich mit!"

In den ersten beiden Stunden Klassenarbeiten zu schreiben war ein gewagtes Unterfangen.
Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Rechtschreibdiagnose, bei der die Kinder nach jedem Satz kurz einen Luftsprung vollführen mussten, nur um den nächsten Satz bei einigermaßen akzeptalen Lichtbedingungen schreiben zu können.

Ganz fatal die Stillarbeitsphasen. Die Mandalafetischisten unter den Kollegen gerieten geringfügig in Hysterie, da ihr Unterrichtskonzept zu zerbersten drohte.
Wild auf und ab hüpfende Kinderhorden machen sich beim Mandalamalen nunmal nicht wirklich gut.

Elternsprechtage hingegen erhielten zumindest in den Abendstunden einen romantischen Zugewinn. Bei Kerzenschein spricht es sich auch gleich viel netter und wer wagt schon, solch anheimelnden Moment durch harsche Kritik zu entweihen?

Aber nehmen wir Konferenzen.
Wie oft hatten wir ewig lange fruchtlos beieinander gesessen?
Bis in die Abendstunden diskutiert, supervisioniert, debattiert.....
Dank der sensiblen neuen Sensoren war nun mit Einbruch der Dämmerung Schluss.
Es fanden sich einfach immer zu wenig bewegungsfreudige Kollegen, die hin und wieder aufhüpfen, schreiten, klettern oder gar rennen wollten.

Man kann ihnen keinen Vorwurf machen.
Die meisten trugen Verbände, Gipsbinden und Pflaster über ihren Körper verteilt.
Selbst als Lehrer findet man nicht blindlings durch die Schule.


11.02.2007, 16.40| (0/0) Kommentare | TB | PL | einsortiert in: Schule

Brennball

"Du machst gleich Vetretung bei mir in der Eins, zwei Stunden Sport. Bitte spiel unbedingt Brennball, das brauchen wir für die Klassenralley." sprach eine nette Kollegin und überreichte mir den Hallenschlüssel.

Ich war genau zwei Tage im Dienst und dies sollte nun also meine erste Sportstunde werden. Warum auch nicht?

Weder im Studium noch im Referendariat hatte mich zwar je jemand darauf hingewiesen, dass Sport mit Erstklässlern ein sehr gewagtes Abenteuer bedeutet, aber warum auch vorher die Pferde scheu machen, wenn man eh schnell genug zu spüren bekommt, was Sache ist?

"Ich krieg die Hose nicht auf!" schreit ein kleiner Junge dessen Namen ich noch nicht kenne. Zeitgleich bittet ein Mädchen um das Zubinden der Turnschuhe, während ein anderes Kind hilflos im Unterhemd vor mir steht und von mir wissen möchte, was denn nun zu tun sei?
Drei Kinder können ihre Turnbeutel nicht öffnen, in einem anderen Turnbeutel schwimmen die Kleidungsstücke in Eistee, was zu mittleren Entsetzensschreien führt und ca. 20 der 27 Kinder halten mir ihre noch ungeschnürten Turnschuhe unter die Nase, damit ich diese zubinden kann.

Mit einem lauten Knall fällt die Umkleidebank bei den Jungen um, die Mädchen hingegen haben sich zu dritt in der Toilette eingeschlossen und können nun die Tür nicht mehr öffnen.

"Ich habe Hunger!" schreit mir ein Junge mitteilsam ist Ohr und ein anderer weint: "Wer hat hier gepupst? Es stinkt so. Es stinkt so."

Bereits nach 35 Minuten finden wir uns alle im Halleninneren ein. Alle mit geschlossen Hosen, geschnürten Schuhen und gespannt darauf, was nun kommen mag.

Gerade möchte ich anfangen zu erklären, als ich auch schon unterbrochen werde: "Kenn ich! Kenn ich. Hab ich schonmal gespielt!"
"Ja das wollen wir nicht. Wir wollen Fußball!"
Ich kann mich nicht erinnern überhaupt erwähnt zu haben, was genau wir spielen wollen und unterbreche die mittlerweile skandierenden Jungenrufe:
"Fußball, Fußball, Fußball, Fußball!" indem ich verkünde, Fußball könne ja jeder spielen, aber BRENNBALL, nun Brennball das sei ein Spiel für ganz besonders sportliche Kinder.
"Der André ist nicht sportlich. Guckma der ist fett!" wird mir taktvoll mitgeteilt, was André dazu veranlasst, seine boxerischen Fertigkeiten zu demonstrieren.

Nach weiteren 10 Minuten haben wir wieder alles fest im Griff, das Spielfeld ist mit Hallenfähnchen markiert, die Regeln erläutert, zwei Mannschaften gebildet.
Das Spiel kann beginnen.

Dem ersten Kind gelingt ein Wurf von ca. 40 cm. Versteinert stehen die Kinder an ihren Plätzen und schauen auf den im Spielfeld umher rollenden Ball.
"Du musst rennen!" feuere ich den ersten Werfer an, was dieser ignoriert. Dafür aber rennt ein anderes Kind aus der Werferwartereihe los und schnappt sich den Ball.
"Ich hab ihn!" brüllt das Kind glücklich und ist ganz verzweifelt, als ich ihm mitteile, dass der Ball von der gegnerischen Mannschaft gefangen und in den Reifen geworfen werden muss.

Die gegnerische Mannschaft hat sich unterdessen gelangweilt auf dem Boden niedergelassen und vergnügt sich damit, aus der Nase gezogene Popel rein größenmäßig zu vergleichen.

Der zweite Versuch wird durch einen weiten Wurf eingeläutet. Mein Ruf:
"Rennen, du musst rennen!" erreicht diesmal in der Tat das richtige Kind, das losläuft, gleich die erste Fahne zu Boden wirft, quer durch das Spielfeld rennt, ein paar gegnerische Spieler zur Seite drängt und aufgrund der Abkürzung eine komplette Runde schafft.
Unter anderem gelingt dies, da die Mannschaft, die sich im Spielfeld befindet sich momentan um den Ball prügelt.

"Boah ist das langweilig," empört sich das erste Kind und fängt an affenartige Laute auszustoßen.

"Ich hab Pipi gemacht", erklärt mir ein anderes Kind und zeigt mir die entsprechende gelbe Lache auf dem Parkettboden der Halle.
Die prügelnde Mannschaft hat es mittlerweile geschafft, den Ball in den Reifen zu werfen und schreit nun ununterbrochen: "VERBRANNT! VERBRANNT! VERBRANNT!"

Die Kinder sind sich noch nicht ganz einig, wer denn nun den Ball an die andere Mannschaft zurückgeben darf und ich nutze die lautstarke Diskussion, um die Lache vom Boden zu entfernen und dem Kind beim Umkleiden zu helfen.

Wir haben bereits zwei Würfe in 45 Minuten geschafft, eine großartige Leistung in Anbetracht der widrigen Umstände.

"Ich kann nicht mehr!" stöhnt ein Mädchen und ein Chor von Kindern fällt quengelnd ein: "Ich kann auch nicht mehr!"

Diesen Gefühlszustand kann ich sehr gut nachempfinden und das erste Mal in meiner beruflichen Laufbahn folge ich meinem Bauchgefühl und schmeiße sämtliche Planungen über den Haufen.
Verstohlen schaue ich mich um, noch ganz fachleiter- und mentorengeprägt, ehe mir bewusst wird, dass mir niemand zusieht und ich alleiniger Herr meiner Entscheidungen bin.

"Kommt, spielen wir Fußball!" fordere ich die Kinder auf und was folgt ist ein planloses, aber sehr lustvolles Spiel, bei dem 27 Kinder einem Ball hinterherjagen und versuchen diesen in eines der beiden Tore zu schießen.

Da wir mehr oder weniger regellos spielen, weiß zwar niemand so recht wer in welche Mannschaft gehört und schon gar nicht, wer wie viele Tore geschossen hat, aber dies hat den unbedingten Vorteil, dass wir alle als Sieger aus dem Spiel hervorgehen und geschafft aber glücklich und zufrieden die nächste Umziehaktion angehen können.

Ich schließe 22 Hosen, schnüre 24 Paar Schuhe, kühle 7 Beulen, verteile lobende Worte an alle, öffne 25 Trinkpäckchen, packe 26 Turnbeutel, stopfe 20 Hosen in die diverse Taschen, nur um 12 davon wenige Minuten später wieder herauszuholen, da sie doch in andere Taschen gehören, suche die Besitzer von zwei Unterhosen und acht Socken, weise einen Jungen daraufhin, dass die Unterhose unter und nicht über die Jeans gezogen wird und bin froh und erleichtert, als wir endlich wieder alle heil im Klassenzimmer sitzen.

"Und?" fragt mich die Kollegin "Habt Ihr Brennball gespielt?"

"Klar!"
antworte ich und unterschlage die Länge und Qualität unseres Spieles.
Aber mal ehrlich, sie hat auch nicht danach gefragt!

01.02.2007, 15.38| (5/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Schule

van Gogh lebt

"Du hast uns angelogen!" anklagend wird mir der Zeigefinger eines Erstklässlers in den Magen gebohrt. "Van Glock lebt doch!"
Die Aufmerksamkeit der übrigen 27 Kinder ist nicht mehr länger von van Goghs Sonnenblumen gebannt.

Mit offenen Mündern und ganz gespannt ob des Dramas, das sich vor ihren Augen anbahnt starren alle zu uns her.

"Van Glock lebt!" wiederholt das Kind und ergänzt "Meine Mama hat den am Wochenende auf der Bühne gesehen!"

Ein wenig irritiert aufgrund der unverhofften Auferstehung van Goghs weise ich nachdrücklich darauf hin, dass ich sehr sicher bezüglich des Todes von van Gogh sei.
Doch auch den anderen Kindern kommen nun Zweifel.

"Ich meine auch, ich hab den neulich auf dem Markt gesehen." verkündet nun ein weiteres Kind und wird direkt von seinem Sitznachbarn unterstützt:
"Und der van Gogh wohnt bei meinem Opa nebenan!"

Ich gebe zu Bedenken, dass Namen eventuell häufiger vorkommen, meine eigener geschätzte 120 x im örtlichen Telefonbuch zu finden sei, was mir kurzzeitig einen Kultstatus einbringt:

"120 x? WOW, ist ja cool."

"Aber wenn meine Mama den auf der Bühne gesehen hat, dann kann der nicht tot sein!"
verfolgt das erste Kind hartnäckig seinen Verdacht.

Ich vermute nun, dass es sich um eine Band gleichen Namens handeln könnte, kann das aber ad hoc nicht verifizieren, da mein Musikgeschmack in den 80ern hängengeblieben ist.

Also erkläre ich noch einmal geduldig, dass DIESER van Gogh wirklich tot ist und lasse auch die Version des abgeschnittenen Ohres nicht unerwähnt.

Immer noch sehr skeptisch nehmen die Kinder zur Kenntnis, was ich zu berichten weiß und jemand resümiert:
"Ich geh mal bei meinem Opa gucken und frag mal den van Gogh ob er der van Gogh ist!"

Damit begeben sich alle - zunächst zufrieden gestellt - wieder an ihre künstlerische Tätigkeit.

Am nächsten Tag nun überreicht mir ein Kind eine Tupperdose mit den Worten:
"Weil du es ja immer so beschaulich magst. Ein Schweineohr!"

"Oh!" denke ich angenehm überrascht "Wie nett von der Mutter Schweineöhrchen zu spendieren!" und kann mit dem "beschaulich" noch nicht allzuviel anfangen.

Mir als durch und durch Stadtmensch kam bei dem Wort Schweineohr ja nur die gänzlich eine Assoziation:
köstliche Backwaren!

In selbiger Erwartung - voller Vorfreude - öffne ich nun also in der Pause die Tupperdose und blicke voller Entsetzen auf:

ein Schweineohr

In bäuerlich-ländlicher Umgebung zu unterrichten hat den unbedingten Vorteil naturbedingter Praxisnähe.
Und dieses Schweineohr - frisch vom Kopf des armen Schweines - war zumindest eines: sehr anschaulich.

Obwohl ich die Dose aus unterschiedlichsten Gründen äußerst schnell wieder schloss, geisterte bereits in der Pause das Gerücht durch die Flure, Frau Schäfer habe van Goghs Ohr in einer Tupperdose dabei.

Vehementes Verneinen dieser Behauptung konnte die Kinder - und einige Kollegen - nicht davon überzeugen, dass ich die Wahrheit sprach.
Erst Blicke in die Tupperdose entlockten den Hineinschauenden dann die Worte: "Das arme Schwein!"

"Siehst du," meint jedoch das bühnengläubige van Gogh Kind "Ganz frisch das Ohr, der kann noch nicht lange tot sein!"

An diesem Tag bekam der Ausdruck fächerverbindenes und -übergreifendes Arbeiten eine ganz neue Dimension........

31.01.2007, 15.57| (208/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Schule

Bratapfeltag

"Es könnte sein, Kind" so warnte mich meine Mutter "dass nicht alle Kinder einen Bratapfel mögen!"
Entrüstet wies ich diese, durch keinerlei Statistik untermauerte Hypothese weit von mir und wies darauf hin, dass ich immerhin die studierte Fachfrau sei und den Kindern ein wahres Feuerwerk der Sinnesgelüste bevorstünde.

Die Kinder meines damaligen ersten Schuljahres fanden die Idee eines Bratapfeltages - selbstverständlich passend zum gleichnamigen Gedicht - grandios und am auserkorenen Tage hatte nicht ein Kind vergessen, einen Apfel mitzubringen.

Zwar hatten sie unerwähnt gelassen, dass sie zuvor nie einen Bratapfel gegessen hatten, aber wie konnten sie auch davon ausgehen, dass ich genau davon ausging?

In adventlich besinnlicher Stimmung näherten wir uns den später zu verspeisenden Äpfeln, verbal und selbstverständlich mit Kopf, Herz und Hand.
So fühlten wir unsere Äpfel, rochen an ihnen, beschrieben sie und vergaßen selbstverständlich auch eine kurze Apfelmeditation nicht.

Die Lieder, die wir sangen waren thematisch ebenfalls auf die Frucht unseres Tages abgestimmt - was mich im Vorfeld harte Recherchearbeit gekostet hatte, denn allzu gängig sind Bratapfellieder nun nicht gerade.

Etwas nervenaufreibend gestaltete sich das Entfernen der 24 Kerngehäuse, aber meine gestählten Junglehrerinnennerven trugen das mit Fassung und viel Geduld.

Um auch ja eine passende Form der irgendwie gearteten Differenzierung in unseren Bratapfeltag zu integrieren, durften die Kinder sich nun ihre ureigenste Füllung zusammenstellen und so ihren individuellen Bratapfel kreieren.
Voller Eifer wurden nun also Mandeln, Nüsse, Marzipan, Rosinen, Marmelade und Honig in die Äpfel gepresst und es kam schnell die Frage auf, wie wir die individuellen, so ganz persönlichen Äpfel würden unterscheiden können sobald sie im Ofen wären.

Improvisation ist im Lehrerleben fast alles und so schrieben die Kinder brav mit einem wasserfesten Stift ihre Namen auf das untergelegte Backpapier.

Während die Äpfel nun bereits im Ofen vor sich hin brutzelten, rührten wir eine Vanillesauce an und ergötzten uns am herrlich leckeren Bratapfelduft.

Natürlich durfte auch ein Apfelmandala nicht fehlen, hin und wieder schauten einige Kinder eifrig durch die zuvor blank gescheuerte Backofentür, um in ehrfurchtsvollen "Aaaaaah" und "Ooooh" Rufen kundzutun, dass sich im Innern des Ofens etwas tat.

Es machte nicht allzuviel, dass die aus den aufplatzenden Äpfeln herausquillenden Füllungen unsere Schriftzüge verwischten, da mir beim Herausziehen des Backbleches sowieso allo 24 Äpfel durcheinander purzelten.

Im ersten Schuljahr neigen Kinder noch nicht dazu, die Trotteleien ihrer Lehrerin auszulachen und so eilten alle Kinder entsetzt und voller Fürsorge für Äpfel und Lehrerin herbei und stifteten mit ihren 48 Händen noch ein klein wenig mehr Verwirrung unter den Bratäpfeln.

Die erste wilde Prügelei ob des Besitzstandes eines Apfels konnte ich gerade noch im Keime ersticken, bei sämtlichen anderen Äpfeln hatte ich nun aber auch größte Schwierigkeiten die Besitzverhältnisse zu klären.

Salomonisch erhielt nun erst einmal jedes Kind irgendeinen Apfel. Das hatte zur Folge, dass einige Kinder höchst zufrieden waren:
Ihr Apfel wies zwar eine ihnen unbekannte, aber lecker aussehende Füllung auf.
Die Hälfte der Klasse jedoch wies lautstark darauf hin, dass dies unmöglich ihr Apfel sein könnte.
Neun Äpfel wollte gar niemand, denn ihre Füllung wies Rosinen auf und Rosinen, da waren sich alle Kinder einig, sind eklig.
Niemand, natürlich schon gar nicht jene Kinder, die ich beim Rosineneinfüllen hatte beobachten können, hatte je Rosinen in seinen Apfel gefüllt und keiner konnte sich erklären, wie diese ekelhaften Teilchen überhaupt in die Nähe irgendeines Apfels gekommen waren.
Fünf Kinder erwähnten nach dem ersten Bissen, sie hätten das Gefühl sich übergeben zu müssen. Ihre Wortwahl war ein wenig grobschlächtiger, was nicht zum harmonischen gemeinsamen Essvorgang beitrug.
Sieben Kinder waren der Ansicht, genau ihr Nebenmann äße gerade exakt ihren Apfel, wobei die jeweiligen Nebenmänner sich sicher waren, ihren eigenen Apfel zu verspeisen.
Drei Kinder heulten, zweien schwappte die Vanillesauce über Teller, Tisch und Kleidung.
Acht Kinder äußerten lautstark ihre Meinung über ungenießbare Bratäpfel und die Tatsache dass ich zu erwähnen vergessen hatte wie super ekelhaft Bratäpfel seien.
Elf Kindern kullerte der Apfel vom Teller, hinterließ eine schleimige Schmierspur auf dem Tisch, nur um dann sein Rollen unter dem Tisch fortzusetzen.
Fünf Kinder testeten den Bratapfelgabelweitflug und mindestens sieben Kinder scharten sich immer mit ihren tropfenden Tellern um mich herum, um nachzufragen wohin mit den ekligen Resten.

Nun steckten wir in einem mittleren moralischen Dilemma. Die ausgepuhlten Äpfel boten keinen schönen Anblick und schienen keineswegs mehr geeignet, sie Weiteressern anzubieten.
Da wurde hier das Marzipan herausgepuhlt und dort die Nüsse. Marmelade wurde an den rechten, Apfelhaut an den linken Rand geschoben.
Gerne auch wurde der gesamte Apfel ein wenig vermatscht, so dass eine breiige, undefinierbare Masse aus diversen Einzelspeisen entstand.

Aber, so wurde mir direkt von einem Jungen erklärt:
"Wir dürfen das nicht wegschmeißen wegen den armen Kindern in Afrika!"

Es schien mir ein wenig geeigneter Moment diesen Standpunkt näher auszudiskutieren.
Sehr pragmatisch veranlagt stopfte ein anderes Kind die Überbleibsel seines vor Vanillesauce triefenden Apfels in seine Brotdose, hinterließ dabei weißliche Schleimspuren auf Tisch, Kleidung und im Tornister und verkündete: "Ich nehm das meiner Mutter mit!"
Mein dezenter Hinweis darauf, dass die Mutter es durchaus als ein wenig unangenehm empfinden könnte, diesen triefenden Bratapfel in der Brotdose vorzufinden wurde vehement abgetan mit: "Meine Mama mag Bratäpfel gerne!"
Auf den Hinweis eines anderen Kindes: "Du kannst das ja alles essen, Frau Schäfer!" ging ich allerdings sehr wohl näher ein und nachdem wir den Sachbestand meiner bislang geheimgehaltenen Apfelallergie geklärt hatten, trafen wir uns ersteinmal im Stuhlkreis.

So ein Bratapfeltag musste schließlich reflektiert werden und so erklärten drei Kinder nacheinander:

"Ja, mir hat alles gut gefallen bis auf den Apfel, den fand ich eklig!"

"Mir hat auch alles gut gefallen, aber den Apfel mochte ich auch nicht!"

"Ja mir hat alles Spaß gemacht, aber so einen Apfel esse ich nie wieder!"

An diesem Tag führten wir die nützliche Regel vermeidbarer Wiederholungen in Stuhlkreisgesprächen ein.

Wir rundeten den in Gänze an sich ja doch sehr gelungenen Tag mit einigen Liedchen ab und ein Junge fasste das Tagesgeschehen so zusammen:

"Toll, Frau Schäfer, auch wenn Sie alle Äpfel durcheinandergeschmissen haben. Sowas passiert Frauen eben!"






29.01.2007, 06.14| (4/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Schule

Kekskrümeldiagnostik

Fortbildungsresistent ist man nicht automatisch, sozusagen mit Beginn des Lehrerdaseins - auch wenn uns genau das kühn schreibende Mütter suggerieren möchten - nein, fortbildungsresistent wird man eventuell, und dies auch nur, wenn man zu viele Fortbildungen besucht hat, die mit krümellos leeren Plätzchentellern endeten.

Kein Instrumentarium und kein noch so ausgereifter Evaluationsbogen kann die Qualität einer Fortbildung besser bezeugen als der Plätzchenbestand am Ende einer Fortbildung.

Gut gefüllte Teller zum Beispiel legen anschaulich dar, dass sämtliche Teilnehmer entweder a) auf Diät sind (was eher unwahrscheinlich ist) oder b) keine Zeit hatten, sich an den Plätzchen zu vergreifen (die wahrscheinlichere Variante).

Leere Teller hingegen zeugen höchstwahrscheinlich von ermüdender Langeweile und einer gehörigen Portion Frustessen von Seiten der Teilnehmer.

Sind die Teller bereits nach zehn Minuten sowas von ratzekahl leer hat der Moderator ein Problem.

Ich kann mich noch sehr gut an die eine Fortbildung erinnern, während der ich ernsthaft erwog in den naheliegenden Supermarkt zu fahren, um Keksnachschub zu erwerben.


Mit ihren weißen Haaren, dem zartrosa Kostümchen und beinahe schwebend betritt die Referentin engelsgleich den Raum. Zwanzig Lehreraugenpaare richten sich auf jene Dame, die uns nun einen Nachmittag lang das Fördern einzelner Kinder nahe bringen möchte. Eingequetscht auf Erstklässlerstühlen, die Beine mühsam unter die niedrigen Tische gequetscht warten wir begierig auf das, was da kommen mag.

"Guten Morgen", haucht die Dame pastoral "wie schön, dass wir alle beieinander sind!"
"Schauen Sie!" geht es nach einer kurzen namentlichen Vorstellung ihrerseits weiter "ich reiche allen Schülern morgens grundsätzlich meine rechte, die waffenfreie Hand. Damit setze ich bewusst das Zeichen für Friedfertigkeit und beuge jedem Streit vor. Wir wollen das auch einmal versuchen!" ordert die Dame an und schüttelt beflissen jedem von uns die Hand. "Hallo, ich bin YX, ich reiche dir meine rechte, waffenlose Hand!"

Bereits jetzt kann ich den pastoralen Singsang der Dame kaum ertragen, spiele das Spielchen aber mit.
Man möchte sich nicht schließlich in den ersten vier Minuten als Hauptbedenkenträger zu erkennen geben.

"Wenn Sie jedes Kind morgens per Handschlag begrüßen, werden Sie in der Pause kaum mehr Hader und Zwist beobachten können. Denn die rechte, unsere waffenfreie Hand, gibt so bereits Ausdruck darüber, dass wir in friedfertiger Absicht gekommen sind!"
"Ich bin aber Linkshänderin!" wagt eine Teilnehmerin anzumerken und wird sofort mit einem unwirschen Blick gestraft. "Sehen Sie, wenn Sie mir Ihre linke, ich Ihnen meine rechte Hand gebe, so passen diese nicht ineinander. Nur zwei rechte Hände passen wunderbar zusammen, probieren Sie es doch einfach mal aus!"

Neben mir summt ein Teilnehmer frei nach Grönemeyer: "....meine Faust will unbedingt in ihr Gesicht und darfs nicht....."
Die ersten zehn Minuten sind um. Die Dame betont, dass es wichtig für das Schulleben sei, dass jeder Kollege und jede Kollegin jedem Kind der Schule morgens die rechte - und wie wir mittlerweile ja wissen WAFFENFREIE - Hand zu reichen.
Nur so erhält das Signal eben auch Signalwirkung. Ich rechne kurz aus, wann ich an der Schule sein muss, um allen 240 Kindern die Hand zu schütteln und versuche krampfhaft mir einen organisatorischen Trick einfallen zu lassen, um Engpässe an der Schuleingangstür zu vermeiden. Und was mache ich mit den Kindern, die zur zweiten Stunde kommen?
Ich stelle mal - recht provokativ,ich bekenne es - die Frage: "Wie funktioniert das denn organisatorisch?"

"Nun, Sie gehen raus und geben jedem Kind die Hand!" Die Dame wirkt leicht irritiert ob meiner wirklich zu blöden Frage und runzelt angenervt die Stirn.
"Ich schaffe es nichtmal allen 120 Kollegen die Hand zu schütteln!" wagt ein Berufsschullehrer anzumerken und das erheiternde Lachen aller Teilnehmer verunsichert die Referentin, die zu bedenken gibt:

"Nun, an unserer Grundschule gibt es insgesamt immerhin auch 84 Kinder. Und dennoch regelt sich das wunderbar!"

Ich bin recht froh über die Tatsache, dass mein Stuhl unmittelbar vor einem Plätzchenteller steht und vertreibe mir die Zeit - wie die restlichen Teilnehmer ebenfalls - zunächst mit Plätzchenessen.
Aber, selbstverständlich werden wir direkt wieder gebeten ins Kleinkindalter zurück zu fallen, und müssen Fingerspiele nachmachen: "Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen......"
Uns wird das Ganze dann als individuelle Förderung für LRS Kinder verkauft und ich stelle mir bildlich vor, wie ich anfänglich pubertierende Viertklässler demnächst mit "Hast nen Taler, gehst zum Markt, kaufst ne Kuh.....!" beglücken werde.
"Wäre es nicht sinnvoller, im Grundschulalter auf das Sprechzeichnen zurück zu greifen?" frage ich und ernte erneut einen bitterbösen Blick.

"Wir reden hier über jahrhundertlang bewährte Alternativen. Im Übrigen kann ich zum Sprechzeichnen nichts sagen, der Begriff ist mir fremd!"

Die Berufsschullkollegen in unserer Runde geben zu bedenken, dass es nicht unbedingt eine berufsschuladäquate Übungsform sei, Fingerspiele mit den 16 Jährigen zu machen. Aber so wird Ihnen erklärt:

"Fragen Sie mal, ob ihre Schüler früher gekrabbelt sind als Baby. Sind sie nicht. Alle Kinder mir LRS sind nicht gekrabbelt. Alle Kinder, die nicht krabbeln haben später Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten!"

In diesem Moment erkenne ich mit Erschrecken, dass der hiesige Plätzchenteller bereits leer und deutlich krümellos ein trauriges Dasein fristet. Mein hektischer Blick auf die umliegenden Plätzchenteller zeigt mir dasselbe traurige Erscheinungsbild und dies nach nicht einmal 30 Minuten!

"Also mein Sohn ist nie gekrabbelt und hat gerade sein Abitur mir 1,3 gemacht!" wirft eine Teilnehmerin ein.

"MEIN Sohn hat das Krabbeln als Entwicklungsstufe auch übersprungen, aber er hat dafür jahrelang voltigiert und dann schließlich ein 1,1 Abitur gemacht!"

Da meine beiden Töchter beide gekrabbelt sind kann ich nun darüber nachdenken, ob sie entweder dennoch ein LRS Kind werden oder wahlweise das Abi im Einserbereich bestehen werden.
Mich lenkt diese häusliche Problematik kurzzeitig vom eigentlichen Inhalt und auch den leeren Plätzchentellern ab, dennoch bekomme ich mit wie es in meiner Nachbarschaft murmelt:

"Jetzt ist der Sohn wahrscheinlich schwul!" und ich fange an kindisch zu kichern.

"Nun, es scheint, als bräuchten Sie wieder eine Spielsequenz!" resümiert die Dame.
Während wir, die Grundschulkollegen in der Runde, einer solchen Sequenz eher gelassen entgegen sehen, macht sich deutlicher Widerwillen in den Gesichtern der Gymnasial- und Berufschulkollegen breit.
Ich sehe ihre panischen Blicke Richtung Plätzchenteller, aber kein Keks mehr da zum Festhalten.
Was sage ich?
Keks?
Nicht ein Krümel ist mehr zu finden auf den diversen Tellern.

Wir stellen uns nun artig zu zweit gegenüber.
Auf den Hacken laufen wir mit geschlossenen Augen fünf Schritte zurück, um anschließend mit geöffneten Augen wieder unserem Partner entgegen zu laufen.
Gut, ich habe jetzt ein klein wenig Probleme mit meinen beabsatzten Stiefeln auf Hacken zu laufen, aber der gute Wille allein zählt und so schwanke ich rücklings und meine Partnerin fragt mich, ob ich schon einen gehabt hätte.
Ich bekunde Gegenteiliges, gebe aber zu bedenken, dass diese Fortbildung leichter zu ertragen wäre, wenn ich doch einen gehabt hätte.

Das ist der Augenblick, wo die Dame mich als Hauptbedenkenträgerin und Querulantin einstuft. Fortan werde ich sträflich ignoriert.
Nicht, dass mir das viel ausmachen würde. Ärgerlich allerdings die Tatsache, dass unser Plätzchenteller schon leer ist.

Wir erfahren, dass die Kinder keine Körperspannung aufbauen können und üben aus diesem Grunde den Stopptanz.
Mal ganz was Neues.

Zwischendurch legen wir Daumen und Zeigefinger dreieckförmig an die Stirn. Pressen die Finger förmlich an die Stirn, schließen dabei die Augen und staunen darüber, wie sehr sich die Welt verändert hat, wenn wir die Augen jetzt wieder öffnen.

Wir erfahren, ganz nebenbei, dass die Dame ein Buch verfasst hat. [Mensch, und rein zufällig hat sie gleich 724 Exemplare mitgebracht, falls wir für uns und unsere Freunde....]
Es ist mir zwar schleierhaft, wieso man aus dem selbstverfassten Buch vorlesen muss und seinen Vortrag nicht frei halten kann, aber nach dem, was die Dame von sich gibt, liegt das Schreiben des Buches vielleicht auch schon ein paar Jährchen zurück.
Da kann man sich wahrscheinlich nicht mehr so gut erinnern.

Natürlich dürfen wir auch noch in Gruppen arbeiten. Natürlich müssen wir dazu in dem Buch blättern und natürlich müssen wir Zitate liefern.

Nach vier Stunden habe ich folgendes gelernt:

** man darf auch den letzten Keks vom Teller nehmen, wenn man sich in einer verzweifelten Lage befindet
** die Dame hat einen schwulen Sohn mit Einserabi
** die Dame hat acht Jahre lang Elternzeit genossen
** die Dame arbeitet an einer Grundschule mit 84 Kindern
** beabsatzte Schuhe taugen nichts beim Hackengang
** alle nichtkrabbelnden Kinder sind blöd
** alle blöden Kinder sind nie gekrabbelt
** Fingerspiele sind das Allheilmittel
** unsere rechte Hand ist waffenfrei

Ich finde, dafür hat es sich gelohnt, 47 Kilometer zu fahren, einen Nachmittag zu opfern und 25,50 Euro zu bezahlen.

Immerhin wende ich seit diesem Tag die Kekskrümeldiagnostik an.
Sie irrt nie.

28.01.2007, 08.35| (50/0) Kommentare (RSS) | (1) TB | PL | einsortiert in: Schule

Der Teufel steckt im Detail

Ich hatte alles nahezu perfekt vorbereitet. 145 Stunden harte Arbeit und Denken an nichts anderes hatte ich in diese eine Stunde, meine erste Lehrprobe, gesteckt.
Unter der Dusche, während des Essens, nächtens und über Tag, im Auto und beim Fernsehen, während des Lesens und gar auf der Toilette, während des Staubsaugens, des Bügelns, des Radfahrens, in Pausen und durchaus auch mitten in thematisch anders orientierten Gesprächen - IMMER hatte ich geplant und strukturiert, meine Mitmenschen in den Wahnsinn getrieben und an dieser einen Stunde gefeilt.

Immerhin galt es nicht nur den Kindern etwas beizubringen, nein, auch kritische Mentorenaugen und noch kritischere Fachleiterpersönlichkeiten mussten zufrieden gestellt werden.

Der Überraschungseieffekt sozusagen, nur auf Referendariatsebene: Gleich drei Dinge auf einmal!

Ich hatte die Lichtverhältnisse im Klassenraum vermessen und Staub gewischt. Die Sitzordnung war nahezu optimiert, die Tafel erstmalig seit hunderten von Jahren mit Sidolin - streifenfrei - von mir gesäubert worden.
Sämtliches Material - in mühevoller, stundenlanger abendlicher Arbeit gebastelt, geschnitten, laminiert - stand optisch natürlich mehr als ansprechend und auffordernd bereit.

Meine Stimme, Gestik, Mimik hatte ich pausenlos vor meinem Spiegelbild trainiert.

Alles schien perfekt. Ich war bereit.

Die Stunde begann, der Klassenraum füllte sich nicht nur mit Kindern, sondern auch mit zwei besonders erwartungsvoll schauenden Fachleitern.

Ich hatte alles im Griff.
Beinahe.

Es lief perfekt. Nein, wirklich, ohne mich im Selbstlob ertränken zu wollen, es lief perfekt.
Raumklima und Körpergeruch waren passend und stimmig, ich hatte eben an alles gedacht.

Nur dann kam - wie ich ungern gestehe - der eine winzig kleine Moment, der die bislang so runde Stunde ein klein wenig, na, sagen wir mal "kippte".

Ich weiß nicht, was Lesebuchautoren sich dabei denken, wenn sie in einen harmlosen, kurzen Lesetext für Zweitklässler das kleine Wörtchen aschgrau schmuggeln.
Sicherlich denken sie nicht an nervöse, arme Referendare, denen der Angstschweiß vom Rücken in die Schuhe rinnt, wenn eine tapfer bemüht und schön lesende Zweitklässlerin ein winzig kleines "r" in dieses Wörtchen schmuggelt.

Ich hatte an alles gedacht.
Eine Aromalampe verteilte erfrischenden Zitrusduft im Raume.
Meine Fingernägel waren gestutzt, nur um niemals zufällig und versehentlich ein Kind mit selbigen zu verletzten.
Es lagen Kühlakkus bereit für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Kind vom Stuhle fiele und sich sonstwas aufschlagen würde.
Meine erste Hilfe Tasche stand parat und ich hatte mir überlegt, wie ich reagieren würden, müsste die halbe Klasse auf einmal zur Toilette.

Ich hatte differenziertes Material für jene Kinder erstellt, die vielleicht etwas Hilfe bräuchten, nicht zu vergessen das Material für die Kinder, die schnell fertig sein würden.

Mein Pullover war nicht neu, nur um Ausrufe alá: "Hast du einen neuen Pulli!" zu verhindern, aber auch nicht zu alt wegen: "Hast du schon wieder den alten Pulli an!"

An alles hatte ich gedacht. Wirklich an alles.
Nur dieses eine kleine Wörtchen, das hatte ich in meiner Beflissenheit übersehen.

Nun wurde also aus der aschgrauen Ritterrüstung eine arschgraue Ritterrüstung und mit einem Male hatte ich eine sich vor lachende krümmende, tobende, johlende Klasse vor mir.

Nicht, dass das allein schon Anlass zur Panik genug gewesen wäre. Nein, was geschieht mit mir?
Gluckst da tatsächlich ebenfalls ein kleines, albernes, teenagerhaftes, perlendes Lachen aus mir heraus?
Wäre es nicht zu albern, hätte ich mir just in diesem Moment die Hand vor den Mund gehalten. Vor Entsetzen, nicht, um das bereits herausgeperlte Lachen zurückzuzwingen.

Hatte man uns nicht monatelang nahezu eingeprügelt niemals, und ich meine damit NIEMALS über einen Schülerfehler zu lachen.

Hatte ich da eben DEN Fehler schlechthin begangen?
Waren das lesende Kind, die ganze Klasse und natürlich ICH nun hoffnungslos verloren?

Noch immer lachten die Kinder. Es musste etwas geschehen.

"Nun, das war aber mal ein lustiger Verleser!" beeilte ich mich zu sagen und stöhnte innerlich auf: "Was redest du da nur für einen Schwachsinn, Susannne!"

"Aber so lustig wie die arschgraue Rüstung auch sein mag, ein bisschen müssen wir noch schaffen!" werfe ich munter in die Runde und erwürge mich innerlich für meine Dummheit, das besagte Wörtchen betont noch einmal erwähnt zu haben.

Ich kann nicht genau sagen, wie es weiterging, da die restliche Stunde nur sehr verschwommen an mir vorbeirauschte.

Mit gesenktem Kopf eilte ich später den Fachleitern in den Besprechungsraum hinterher.

"Das haben Sie ja schön verbockt!" raunzte mich mein Mentor an und mein Kopf und Mut sanken tiefer und tiefer. 

Zwischen Kaffee und belegten Brötchen, selbiges noch im Munde zermalmend, wurde mir wenig später von einem der Fachleiter eröffnet:

"Na, mit dem Arschgrau sind Sie ja professionell umgegangen. Glückwunsch. Ich hätte nicht gewusst, wie ich mich da so elegant herauswinden könnte!"

Ein Blick in das Gesicht des Sprechenden verriet: Nein, das war nicht ironisch gemeint.

Doch die wichtigste Lektion, die ich damals lernte war die:
Verstehe wer seine Fachleiter!


27.01.2007, 06.57| (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Schule

Zielorientieres Einkaufen


„Schmeiß das doch nicht einfach weg!“ fahre ich den Übeltäter an, der da gerade im Begriff ist die leere Margarinendose in den Abfall zu werfen.
In den ABFALL !!!
Dabei eignen sich diese Döschen vorzüglich zum Malen mit Wasserfarben, zum Aufbewahren von diesem und jenem und sicher für noch zwanzig bis dreißig andere unterrichtliche Zwecke.

So eine Verschwendung, die leere Verpackung einfach fortzuwerfen. Man sollte meinen, dass sich meine Familie nach zwölf Jahren daran gewöhnt hat, nichts wegzuwerfen ohne MICH vorher zu fragen.

Gut, ich habe viele – auch die weitläufigen – Familienmitglieder jetzt so weit, dass sie bevorzugt Mon Cherie verschenken.
Weniger weil das Zeug schmeckt (um ehrlich zu sein mag es niemand, aber das sollte nicht die ausschlaggebende Rolle spielen) als vielmehr wegen der kleinen durchsichtigen, rechteckigen Dose, in der Freiarbeitsmaterial gut sichtbar und Dank des Deckels sogar staubfrei aufbewahrt werden kann.

Auch Exquisa wird nun viel zielorientierter konsumiert und der ein oder andere schmiert sich nun schon mal mir zuliebe ein Schnittchen damit, nur, weil auch diese kleinen Döschen ganz hervorragend zu gebrauchen sind.
Um ehrlich zu sein kann man am Exquisa Verbrauch meiner Familie erkennen, in welcher Klassenstufe ich gerade vornehmlich unterrichte.
Lesedominos zum Beispiel, eher in Klasse eins und zwei anzusiedeln, passen ganz prima in diese Käseform, wobei selbstverständlich auch das Konkurrenzprodukt Philadelphia verwertbare Verpackungen aufweist.

Klopapierrollen und selbige von diversen Küchentüchern bekomme ich sozusagen schon automatisiert herübergereicht.
Der Kellervorrat dürfte diesbezüglich bis zu meiner Pensionierung reichen, aber die Familie tut sich doch ein wenig schwer mit dem Umdenken.
Einmal Röllekes gesammelt, immer Röllekes gesammelt und mal ehrlich, wer weiß, wozu ich die eines Tages noch brauchen kann?

Ich verstehe auch durchaus, dass niemand mehr bereit ist freiwillig mit mir einen Baumarkt zu besuchen. Der Baumarkt an sich ist ja für mich so eine Art unterrichtlicher Ideenpool.
Natürlich fällt es mir da schwer, mich auf Bausubstanzen zu konzentrieren, wenn ich an jeder Ecke günstige Kramdosen, Klebebänder und überhaupt all jene kleinen Gegenstände erblicke, die das Herz (fast jeden) Grundschullehrers höher schlagen lassen.

Neulich nämlich sah ich einen Riesenpack Schwämme (diese, die man sowohl in der Badewanne als auch für die Autowäsche nutzen kann) für einen Spottpreis und sofort musste ich meinen Unterricht umstrukturieren und noch schnell eine Einheit zum Thema „Brücken“ einschieben und so die günstigen Schwämme gezielt als Brückenpfeiler etc. einzusetzen und Druckverhältnisse damit zu veranschaulichen.

Unsere eigenen Kinder beispielsweise sind wahrscheinlich die einzigen Kinder weit und breit, die sich nicht gierig auf Eis stürzen, so sie eines sehen, sondern entnervt fragen: „Müssen wir schon wieder Eis essen?“
Ja kann ich etwas dafür, dass diese rechteckigen Literbehältnisse so verdammt geräumig und praktisch sind?

Ganz fatal übrigens sind die neuerdings überall sprießenden Billigläden. Mögen sie heißen wie sie wollen, ich meine jene Läden in denen es alles für einen knappen Euro gibt. Da werden Grundschullehrerinstinkte geweckt, die niederer nicht sein könnten.

Nicht, dass ich mich da nicht beherrschen könnte, aber die 6 km Umweg zu einem solchen Laden liegen doch förmlich auf meinem Nachhauseweg.


26.01.2007, 13.10| (5/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Lehrer

Kleinere Störungen

Ich erinnere mich noch sehr gut an jenen Freitag Morgen, es ist eine ziemliche Weile her, als sozusagen nichts so lief, wie es laufen sollte.....


Vielleicht hätte es mir ja bereits zu denken geben müssen, als mir der nass-braun-floddrig-schmutzige Softball heute Morgen, bei Betreten des Schulhofs, mit voller Wucht ins Gesicht geriet.

Und die daraufhin wenig zartfühlenden Kleinjungenhände, die versuchten, den ekligen Glibberschmutz aus meinem Gesicht zu wischen – was zur Folge hatte, dass der Schmutz in dicken Knubbeln und kleinen Rinnsalen meinen Kragen hinein und abwärts lief – waren auch nicht unbedingt vielversprechend.

Aber von so ein wenig Schmodderschmutz lasse ich mich grundsätzlich ja eher weniger beeindrucken und so nutzte ich die 15 Minuten vor Unterrichtsbeginn für eine kleine, wenn auch wenig erfolgreiche Reinigungsaktion.
Mit dem Schellen stürzte ich aus der Toilette und rannte kurz eine Kollegin nieder, die das Ganze glücklicherweise unbeschadet überstand, mich aber dezent darauf hinwies, dass aus meiner Nase sturzbachweise Blut laufen würde.

Schnell raffte ich ein Tempo aus tiefsten Taschentiefen und hielt es mir elegant unter die Nase.
Beim Betreten des Schulhofs empfing mich nun zwar kein dreckiger Ball mehr, dafür aber begleitete mich eine Horde Kinder, deren Fragen und Ausrufe stakkatoartig auf mich einprasselten:


„Wie siehst du denn aus?“

„Hasse dich gekloppt?“

„Iiiiiih, das ist eklig!“

„Was ist denn passiert?“

„Bist du krank?“

„Boaaah, cool, ey, die hat sich gekloppt.“

„Geil. Richtig geil!“

„Oh nein das sieht ja scheußlich aus“

„Boah, scheiße, ey!“

„Ich glaub ich muss kotzen!“



Gelassen schritt ich meines Weges, so gelassen, wie man eben sein kann, wenn Blut aus der Nase rauscht und Dreck den Rücken hinunter rinnt.
Kurz vor der Klasse, „meine“ Kinder waren alle voll des laut geäußerten Mitleids mit mir, fing mich eine Mutter ab.
In der einen Hand meine Tasche, die andere mit Taschentuch unter die Nase gepresst, hörte ich konzentriert zu, wie sie mir erklärte:

„Bitte, diese Tropfen muss A. gegen 11.30 Uhr nehmen, 20 Stück. Gegen 12.00 Uhr dann zwei von diesen Tabletten und kurz bevor die Kinder nach Hause gehen bitte einmal den Hustensaft!“

Während ich versuchte, ein mich dauernd am Rückenteil meiner Jacke ziehendes Kind dazu zu bewegen, wenige Schritte von mir zu weichen, versuchte ich die Anweisungen der Mutter wahrzunehmen.

„Und bitte“, erwähnte sie noch „Es ist wirklich dringend!“

Das Ziehen an meiner Jacke nimmt derweil vehemente Züge an und ich gestehe, das
„Mir ist übel!“ des ziehenden Kindes eher weniger wahrzunehmen.
Infolgedessen, ich drehe mich gerade eben um, schwallt eine Menge übelriechendes Erbrochenes über meine Füße und ich überlege kurzzeitig, ob ich mich vielleicht bei
„Versteckte Kamera“ befinde.

Die Kinder meiner Klasse geraten in leichte Hysterie und überbieten sich in IIIIIIIHHHH Rufen, während ich versuche, das sich weiterhin übergebende Kind zu trösten.

„Ich geh lieber!“ ruft die Mutter „Sind sie gut und denken an die Medikamente?“

Aber sicher. Kein Problem. Sollte ich bis dahin noch leben.....

An meinem Rücken bröckelt der angetrocknete Schmutz , als ich mich bücke, um die diversen Körperflüssigkeiten vom Boden - und: nicht zu vergessen, meinen Schuhen – zu wischen.

Die Kinder sitzen an ihrem Platz, das kranke Kind auf meinem Schoß, derweil ich versuche, dessen Mutter mittels Handy zu erreichen.
Die Klassenzimmertür öffnet sich und unsere Sekretärin schiebt acht bis zehn Erstklässler in unsere Klasse.

„Die Kollegin ist erkrankt. Sind Sie bitte so lieb?“

Aber immer.

Die neuen Kinder geraten kurzzeitig ebenfalls in leichte Hysterie, zum einen, weil der Gestank nicht angenehm, zum anderen weil ich höchstwahrscheinlich so einen wenig vertrauenserweckenden Eindruck vermittle.

„Ich kann das nicht riechen! Da muss ich kotzen!“ versucht ein Kleiner dem Grauen noch zuvor zu kommen, doch da schwappt es schon quer über den Tisch und – oh schauder – über die bereits heraus geholten Hefte einiger Kinder.

Das Kind auf meinem Schoß heult.
Das Kind, das sich gerade übergeben hat heult noch lauter.
Die anderen Kinder schreien wahlweise:

„Iiiiiihhhgitt, das ist ja eklig!“

bzw.

„Boaah, voll cool, wir ham ne Epimi!“



Meine Nase schwillt zu und ich will nach Hause.

Doch was predigte mir neulich eine nie Lehrerin Gewesene:

„Pädagogische Gelassenheit ist das A und O!“

Geübt im Wegwischen von Körperflüssigkeiten entledigen wir uns kurz derselben, ordnen die Tische neu, öffnen die Fenster.

Ein Klopfen an der Tür, freudig schaue ich auf, in der Hoffnung, das erste sich übergebende Kind wird abgeholt.
Aber es ist erneut die Sekretärin.
„Sie kriegen doch heute die neue Praktikantin! Das hier ist Frau K.“

Frau K. schaut sich naserümpfend um, bekundet dann lauthals:
„Uah, das kann ich nicht riechen, da wird mir übel!“ und rennt hinaus.

Auch die Sekretärin findet es bei uns wenig anheimelnd. Wie gut, dass ich mittlerweile nichts mehr riechen kann, anstelle einer Nase habe ich einen undefinierbaren Riesenklumpen im Gesicht.

„Du siehst echt richtig scheiße aus!“ bekundet ein Kind zartfühlend sein Mitgefühl und die anderen Stimmen lautstark zu.

Ich versuche die Eltern vom zweiten sich übergebenden Kind zu erreichen, was zunächst daran scheitert, dass das Kind nur seinen Vornamen kennt und natürlich auch nicht seine Telefonnummer.

Während die Klasse sich an die Freie Arbeit begibt, lösen wir das Telefonproblem und eine nette Ansage springt mir ins Ohr:

„Es ist Freitag Morgen, Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass wir JETZT ans Telefon gehen! Bitte hinterlassen Sie......!“

Brav hinterlasse ich im nasalen Singsang:

„Trotz Freitag Morgen hat sich Ihr Kind gerade übergeben. Es wäre nett, wenn Sie es in Raum X abholen könnten....“

Ich lege ein klein wenig angenervt auf.
Der Schultag kann beginnen!

Kaum sitzen wir im Stuhlkreis um die Geschehnisse des frühen Vormittages verbal aufzuarbeiten, als ein Feueralarm durch das Schulgebäude schrillt.
Da kein Probealarm angekündigt war, wallt sekundelange Panik in mir auf.

„Klassenbuch!“ dröhnt es in meinem geplagten Schädel. (Nicht, dass das jetzt entscheidend gewesen wäre, aber ich trage ein Feueralarm-Klassenbuch-Trauma mit mir herum, seit ich bei meinem ersten Probealarm als richtige Lehrerin gewagt hatte, selbiges im Klassenraum zu vergessen.)

Klassenbuch geschnappt, Kinder aufgestellt, Fenster geschlossen.
Los geht’s.

„Ich komm nicht mit!“ heult da ein Erstklässler auf und hält sich angstvoll an einem Tisch fest. „Ich komm nicht mit, da ist Feuer!“

Die anderen Kinder drehen sich um und mitfühlend geäußerte Kommentare wie:
„Ja, Feuer ist echt gefährlich!“ bestärken den Entschluss des Kindes und seinen Willen nicht mitzukommen.

Ich weiß ja jetzt nicht, aber für pädagogisches Feingefühl fehlt mir ein wenig die Muße und so nehme ich das Kind mehr oder weniger auf den Arm.
Kein cooler Erstklässler lässt sich so mirnichtsdirnichts auf den Arm nehmen und so boxt das kleine angstvolle Wesen mich.
Nicht, dass meine Nase noch dicker werden könnte, aber reichlich Blut hatte ich noch zu bieten........

„Frau S. wann muss ich meine Medizin nehmen?“ fragt mich ein anderes Kind schüchtern und das ist der Punkt wo ich darum bete, dass das Wochenende beginnt......

26.01.2007, 05.27| (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Schule

Montagmorgen

Mit Montagen ist es wie mit Weihnachten.
Obwohl man lange vorher weiß, dass und wann sie kommen werden, stehen sie doch immer wieder reichlich überraschend und viel zu schnell vor der Tür.

5.30 Uhr der Wecker klingelt. Nach einem kurzen Moment geistiger Benommenheit spüre ich meinen beschleunigten Herzschlag und sitze senkrecht im Bett.
MONTAGmorgen. Die Jagd nach dem besten Platz in der Kopiererwarteschlange hat begonnen.

Hastig ziehe ich mich an, wuschle mir durch die Haare, wecke die Mädel, packe Kindergarten- und Schultaschen und gemahne zur Eile.

"Ist es denn schon wieder Montag?" fragt mich meine Tochter gähnend und fährt fort:
"Manno immer ist Montag. Immer müssen wir uns beeilen!"

Ich überprüfe rasch den Inhalt meiner sechs Leinen- und meiner großen Schultasche.
Bastelzeugs, Anschauungsmaterial, Kopiervorlagen, Bücher ....... scheint alles vorhanden.

"Mädel", dränge ich "wir müssen los!"

7.14 Uhr wir liegen gut in der Zeit. Ich bringe die Kinder in den Kindergarten, brüskiere die Erzieherinnen, in dem ich darauf hinweise, dass es montags ist und ich wirklich keine Zeit für eine kleine Plauderei habe und haste zurück zum Wagen.
7.21 Uhr MIST, zwei Minuten zu spät. Wie kann ich die Zeit nur wieder reinholen?

Mein Auto springt direkt an und ich umarme das Teilchen geistig. Los geht es.
Unruhig mit dem Po im Sitz umherrutschend mahne ich die Fahrer vor mir doch bitte in Zone 50 auch 50 zu fahren und nicht 30 bzw. gefühlte 20.

Schweißperlen stehen mir auf der Stirn, als ich endlich um 7.38 Uhr (viiiieeeel zu spät) auf den Lehrerparkplatz einbiege.
Ich weiche geschickt, wenn auch voller Wut, all jenen Eltern aus, die ihre Kinder am liebsten bis IN die Schule fahren möchten und hierfür gerne mal die Lehrerparkplätze blockieren.

Es gelingt mir einzuparken ohne irgendwen oder irgendwas zu rammen. Hinter mir die Lichter eines anderen Autos. Ein hastiger Blick. Nein, das kann doch wohl nicht wahr sein, schon eine Kollegin.
Ich raffe meine 13 Leinentaschen und die schwere Schultasche vom Beifahrersitz, drücke mit dem Allerwertesten die Autotür zu und eile los.

Ein schneller Blick auf die ausgestiegene Kollegin zeigt mir sofort, dass diese mindestens eine Leinentasche weniger trägt als ich und somit mobiler ist.
Ich sprinte los und ignoriere die schmerzhaft in die Kniekehlen schlagenden Beutel.

Die Kollegin holt auf, also nehme ich die Abkürzung über ein vesumpftes Wiesenstück.

"Heeeee!" brüllt mir da schon unser Hausmeister entgegen "Sie wollen doch mit den Sumpfstiefeln nicht etwa in MEINE Schule?"

Ich catche den 154 Kilo Mann mit all meinen hilfreichen Leinentasche zur Seite, grüße flüchtig und frage mich allen Ernstes, ob der Mann nach 40 Dienstjahren immer noch nicht weiß, was es bedeutet, wenn es MONTAGmorgen ist?

"Das wischen Sie aber weg!" donnert es mir nach und ich versuche mit einem unehrlichen, hastigen Nicken den Mann zu beruhigen.

Die Kollegin holt auf und beinahe zeitgleich erreichen wir die Tür des Lehrerzimmers.
Selbstverständlich stößt sie just in diesem Moment jemand von innen auf, mir somit mit voller Wucht vor die Stirn und ich klatsche - mitsamt den 24 Leinentaschen und der schweren Schultasche - zu Boden.

Der Inhalt aller Taschen ergießt sich auf dem Flur. Ich spüre eine dicke Beule auf meiner Stirn anschwellen und sehe, wie die Kollegin an mir vorbeihastet, leise murmelnd:
"Tut mir leid, du weißt ja, Montag!"

Das war doch abgesprochen. Das kann mir doch keiner erzählen. Das haben die Kollegen doch hinterrücks geplant, um mich aus dem Rennen zu werfen.

Ich klaube mein Zeugs zusammen, renne ins Lehrerzimmer, überblicke die Lage und stehe - als 5. - in der Schlange zum Kopierer.

"Ich bin Nr. 5, ich stehe gleich nach XY!" verkünde ich lautstark, nur damit mir nicht noch irgendwer Rang 5 streitig machen kann.

Ich plaziere meine 27 Leinentaschen und die schwere Schultasche unmittelbar hinter Nr.4 und haste zum Vetretungsplan, um mir den Montagsmorgenüberblick zu verschaffen.
Neben mir intoniert unsere Referendarin: "Unter einer Fichtenwurzel hört ich einen Wichtel furzen!"
Ich eile zurück in die Warteschlange, komme aber nicht ganz bis zu dieser, weil mir irgendwer einen Telefonhörer hinhält.
"Für dich!"

Mist, das Telefonkabel reicht nur bis ca. 3 m vor den Kopierer, ich komme nicht bis zu meinem Warteplatz, werfe aber vorsorglich giftige Blicke in die Runde und schreie noch einmal: "Ich bin Nr. 5!" ehe ich der irritierten Mutter am Telefon erkläre, dass ich nicht sie gemeint habe.

"Mein Sohn soll auf keinen Fall mehr den pestizoid bakteriell verseuchten Kakao trinken!" wird mir mitgeteilt. Yeah, 4.!!! denke ich und antworte, dass es mir neu sei, dass unser Kakao pestizoid und bakteriell verseucht sei.
Daraufhin erklärt man mir, dass von einem Lehrkörper auch nichts anderes als Unwissenheit erwartet würde und ich gefälligst dem Kind das zu viel gezahlte Kakaogeld - denn es trinkt ja nun den Kakao nicht mehr - rückerstatten soll.

"Ey, ich bin Nr.4 !" brülle ich in diesem Moment durch den Raum, will sich doch tatsächlich eine Kollegein vordrängeln. Jetzt schubbst sie auch noch mit den Füßen meine 32 Leinentaschen aus dem Weg. Ehrlich. Wo sind wir denn hier?

Ich erkläre der Mutter geduldig, dass ich nicht sie mit meinem Nr. 4 Ausruf gemeint habe und verwickle mich zusehends in diesem blöden Telefonkabel.
"Unter einer Fichtenwurzel hört ich einen Wichtel furzen!"

7.49 Uhr. Ich bin Nr. 3 - endlich.
Mir fällt das Jandl Gedicht ein: Erster sein!
Und ich finde, so als Dritte steht mir schon ein klein wenig Euphorie zu.
Gerade als ich zurück will in die Kopierschlange wird ein Junge ins Lehrerzimmer geschoben. Das Gesicht voller Blut.
"Nicht auf den Teppich!" schreit unser Hausmeister und unter dem Blut erkenne ich, dass es einer meiner Sprösslinge sein muss.

Ich stolpere nur kurz über das Kabel, lande aber eher sanft und dank Übung bin ich dennoch schnell bei dem Kind, das sein Nasenblut erstmal an meiner weißen Winterdaunenjacke abstreift.

"Telefon für dich!"  drückt man mir erneut einen Hörer in die Hand und ich kann mich zwischen Schielen auf die Kopiererwarteschlange und dem Verarzten des Jungen nur schwer darauf konzentrieren, dass ein weißer Schnellhefter für eine Liedermappe wohl zu farblos sei.

"Unter eine Fichtenwurzel.....!" "Herrje" herrsche ich die überraschte Referendarin an "Lass deinen Wichtel doch bitte mal woanders furzen!"

"Nein", beruhige ich die Mutter am Telefon "ich meinte doch nicht Sie!"
Schiebe den verarzteten Jungen aus dem Zimmer und versuche zum Kopierer zu gelangen.

Während es hinter mir an meiner blutverschmierten Jacke zupft "Frau.... du wolltest uns doch noch die Seepferdchen Ausweise geben!" heult die grob von mir angefahrene Referendarin und beschuldigt mich, an einem ihrer Nervenzusammenbrüche schuldig zu sein, nur weil sie den Zungenbrecher im Lehrerzimmer nicht üben darf.
Sicher versemmelt sie nun die Stunde und überhaupt.

Ich bekenne mich schuldig und dringe in Richtung Kopierer vor,
Da, ich habe es gehört. Habe ich es wirklich gehört?
Oh nein.
War es tatsächlich das schlimme Wort, das ich habe raunen hören?
Das Wort, das mehr Angst einflößt als "Konzept". Noch mehr gar als "Evaluation".
Das eine kleine Wort, dass den Montagmorgen zu einem Weltuntergang degradieren lässt.
Gerade noch geraunt, dringt das Wort wellenmäßig lauter werdend zu mir vor.
Nein, ich habe mich nicht geirrt:

"PAPIERSTAU!" kreischt eine Kollegin hysterisch und ich erstarre.

Hektische Betriebsamkeit macht sich am Gerät vor mir breit. "Sie nehmen jetzt bitte zwei Klassen mit zum Sport!" verkündet mir der Chef und gleichzeitig drückt man mir einen Wischer in der Hand: "Wischen Sie Ihren Dreck weg. So etwas gibt es nicht in MEINER Schule!" brüllt mir der Hausmeister ins Ohr und ich gehe davon aus, dass selbiges nun ertaubt sein wird.

Ein Blick auf den Kopierer. Jaaaaa, er tut es wieder. He, immerhin drei Kopien bevor es wieder staut. Geht doch. Wer sagt's denn.

7.54 Uhr. Ih bin ganz ruhig. Die neben mir keifende und weinende Referendarin muss ich leider ignorieren. Sie muss schnell lernen, was es heißt: MONTAGmorgen.

Zweite.
Ich bin zweite.
Die Kollegin vor mir packt geschätzte 37 Bücher aus und beginnt zu kopieren:
"Du, bei mir dauert das aber!" weist sie mich netterweise drauf hin!
Ich ordne meine 42 Leinentaschen und stelle fest, dass eine Mappe fehlt.

"Hat jemand meine YXZ Mappe gesehen?" frage ich freundlich in die Runde und erhalte ein ebenso freudiges: "Ja, die leih ich mir bis Donnerstag, ist das okay?" zurück.

Der Wichtel furzt auch schon wieder, als ich hastig zum Tisch springe, um meine Mappe zurückzuergattern. Ich meine, wir reden hier von Lehrern. Einmal verliehen für immer weg.

Auf dem Weg zum Tisch reiße ich versehentlich einen Holzschuber mit LÜK Kästen aus dem Regal. Hunderte LÜK Plättchen verstreuen sich kafkaesk auf dem Boden. Das hat was.

Leider kann ich diese nun nicht mehr aufsammeln, denn: Ich bin dran!!!!!!!!!
Erste. Erste. Erste.

Die Plättchen knacken, als ich über sie hinweg renne. Ich erreicht den Kopierer genau in dem Moment, in dem es schellt.

"Macht nichts", tröstet mich die Kollegin "Ist eh Papierstau!"

25.01.2007, 20.00| (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL | einsortiert in: Lehrer